Die MACHT – So funktioniert Politik in Italien

Mehr als 60 Regierungen in 74 Jahren – und trotzdem gilt Italien als stabile Demokratie in Europa. Um das zu verstehen: Die Politik in Italien, ein Überblick über das System.  

Die Fakten: Politik in Italien 

  • Gründung: Italien ist eine demokratisch-parlamentarische Republik, die am 2. Juni 1946 gegründet wurde, die “Repubblica Italiana”. In einer Volksabstimmung hatten sich die Italienerinnen und Italiener zuvor gegen die Staatsform einer konstitutionellen Monarchie entschieden. Erst 1861 war der italienische Nationalstaat als Königreich Italien vereinigt worden.
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Der “Altar des Vaterlandes” in Rom, gewidmet dem erstem König Vittorio Emanuele II
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  • Hauptstadt: Rom
  • Einwohner*innen: 60,5 Millionen* 
  • Konfession: 80 Prozent Christen (die Mehrheit katholisch)

  • Gliederung des Landes: Italien ist gegliedert in 20 Regionen. Von diesen 20 Regionen haben 5 ein sogenanntes Autonomie-Statut mit erweiterten Selbstverwaltungs-Kompetenzen: Aostatal, Friaul-Julisch-Venetien, Trentino-Südtirol, Sardinien und Sizilien. Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel 100 Prozent der Steuer-Einnahmen aus Sizilien in Sizilien bleiben, im Aostatal sind es 90 Prozent. (mehr zu der Organisation der Regionen hier)

  • Bündnisse: Gründungsmitglied der EU; seit 1949 in der NATO, seit 1955 in den Vereinten Nation
  • Amtssprache: Die Amtssprache in Italien ist italienisch. In Trentino-Südtirol wird daneben auch deutsch und ladinisch (eine alte Sprache aus Oberitalien, die nur noch in wenigen Gebieten gesprochen wird), im Aostatal französisch und in Friaul-Julisch-Venetien slowenisch.

  • Bruttoinlandsprodukt (BIP)/Kopf: 31.676 USD (2020)
  • Wichtigste Wirtschaftszweige: Maschinen-, Schiffs- und Fahrzeugbau, Chemieindustrie, Modeindustrie, Nahrungsmittel, Agrarprodukte, Tourismus

Übersicht

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Das Staatsoberhaupt: Staatspräsident*

*Zwecks Lesbarkeit wird im Folgenden die männliche Form benutzt. Bis heute gab es keine Frau in diesem Amt.

Italiens Staatsoberhaupt ist der “Presidente della Repubblica“. Das Staatsoberhaupt muss mindestens 50 Jahre alt sein, die italienische Staatsbürgerschaft und außerdem alle „bürgerlichen und politischen Rechte“ haben.

Der Staatspräsident* hat vor allem symbolische Aufgaben wie zum Beispiel das Empfangen von ausländischen Staatsoberhäuptern oder das Verleihen von Auszeichnungen und Orden.

Seine wichtigste Aufgabe: Er soll die Einheit der Republik sichern – und ernennt den Ministerpräsidenten*. Bei den häufigen Regierungswechseln in Italien hat der Staatspräsident damit eine Schlüsselfunktion.

Die Politik in Italien ist sprunghaft: Obwohl es in 74 Jahren 67 Wechsel der Regierungen gab, fanden nur 18 Mal Wahlen statt (Zum Vergleich: In Deutschland wurde im selben Zeitraum 19 Mal gewählt, allerdings gab es nur neun Regierungen.

staatspräsident
Luftaufnahme: der Quirinalspalast des Staatspräsidenten
Foto: Alessio Panarese/Getty Images via canva.com

Die beiden Kammern des Parlaments und 58 Vertreterinnen und Vertreter aus den Regionen (insgesamt 1009 wahlberechtigte Personen) wählen den Staatspräsident für sieben Jahre. Der künftige Staatspräsident braucht dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit, ab dem vierten Wahlgang reicht eine einfache Mehrheit. 1971 brauchte man übrigens 23 Wahlgänge, um sich auf einen Präsidenten zu einigen. Auch das ist Politik in Italien.

quirins palast, Politik in Italien
…und der Quirinalspalast in Rom von vorne
Foto Leonid Andronov/Getty Images via canva.com
Aufgaben des Staatspräsidenten:
  • Ernennung des Ministerpräsidenten*: Verfassungsrechtlich ist der Staatspräsident dabei an keine Vorgabe gebunden. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich ein Verfassungsgewohnheitsrecht eingebürgert: Der Präsident muss bei der Ernennung die Mehrheitsverhältnisse im Parlament berücksichtigen.
  • Ernennung der Ministerinnen und Minister: auf Vorschlag des Ministerpräsidenten
  • Annahme von Eiden und Rücktrittsgesuchen der Kabinettsmitglieder

  • Auflösung des Parlament (einer oder beider Kammer) und Ansetzen von Neuwahlen: wenn das Parlament seinen verfassungsmäßigen Aufgaben nicht nachkommen kann oder eine Regierungsbildung scheitert.
  • Einmaliges Vetorecht bei Gesetzes-Beschlüssen. Der Staatspräsident macht die vom Parlament beschlossenen Gesetze mit seiner Unterschrift rechtskräftig. Er kann seine Unterschrift allerdings verweigern. Wenn das Parlament das von ihm zurückgewiesene Gesetz dann aber noch einmal beschließt, muss es der Staatspräsident unterzeichnen.

  • Ernennung von 5 der 15 Verfassungsrichter
  • Ernennung von fünf Senatorinnen oder Senatoren auf Lebenszeit
  • Ihm steht das Begnadigungsrecht zu. Das bedeutet, dass er verurteile Menschen vorzeitig aus der Haft entlassen kann. Ein Überbleibsel aus Zeiten der Monarchie (“Gnade vor Recht”).
  • Jeder Staatspräsident hat einen Anspruch auf einen Senator-Sitz auf Lebenszeit.

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Die wichtigsten Fragen vor der Wahl in Italien

Die Regierung: Ministerrat

Ministerpräsident, Ministerinnen und Minister bilden den Ministerrat.

Entsprechend den Mehrheitsverhältnissen im Parlament ernennt der Staatspräsident den Ministerpräsident, den beide Kammern im Parlament anschließend bestätigen müssen. Der Staatspräsident ernennt außerdem die Ministerinnen und Minister auf Vorschlag des Ministerpräsident.

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Der “Palazzo Chigi” in Rom: Hier residiert der Ministerpräsident
Foto: TkKurikawa/Getty Images via canva.com

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Die Gesetzgebung: Zweikammer-Parlament

Das Zweikammer-Parlament ist in Italien in der Politik zuständig für die Gesetzgebung.

  • Camera dei deputati: Vertretung des Volkes (die Abgeordneten-Kammer), umfasst 630 auf fünf Jahre direkt gewählte Mitglieder (Nach dem Verfassungsreferendum 2020 wird die Zahl bei der nächsten Wahl auf 400 reduziert)
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Sitz der Camera dei deputati: der Palazzo Montecitorio in Rom
Foto: Benedek/Getty Images Signature via canva.com
  • Senato della Repubblica:
    1. Vertretung der Regionen. 315 für fünf Jahre direkt gewählte Senator*innen, wobei den Regionen eine bestimmte Anzahl von Mandaten zusteht. (Nach dem Verfassungsreferendum 2020 wird die Zahl bei der nächsten Wahl auf 400 reduziert).
    2. bis zu fünf vom Staatspräsidenten auf Lebenszeit ernannte Bürgerinnen und Bürger
    3. alle ehemaligen Staatspräsidenten

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Der Senat tagt im Palazzo Madama in Rom, Politik in italien
Der Senat tagt im Palazzo Madama in Rom
Foto: Claudio Divizia via canva.com

Parteien & Politik in Italien

Die italienische Parteienlandschaft ist stark zersplittert. Es kommt häufig zu neuen Gründungen, Bündnisse und Parteien lösen sich auf, schließen sich dann zu neuen Gruppierungen zusammen. Tatsächlich ist die älteste Partei in der Regierung die rechtsextreme “Lega per Salvini”, die erst 1989 gegründet wurde

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Traditionsparteien, wie man sie aus anderen Ländern kennt, gibt es in Italien seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr. Ein Korruptionsskandal erschüttert damals das Land, den die beiden größten Parteien, “Democrazia Cristiana” und” Partito Socialista Italiano” nicht überleben. Aus nahezu allen Parteien hatten Politikerinnen und Politiker Bestechungen kassiert.

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Wer die Wahl hat…
Foto: Martinns/Getty Images Signature via canva.com

Das korrupte politische System wird “Tangentopoli” (nach dem italienischen Wort für Schmiergeld) getauft. “Mani puliti”, übersetzt “saubere Hände” wird die Aufräumaktion von der Justiz getauft, die landesweit zu mehr als 2000 Prozesse führt.

Die Politik in Italien wird bis heute durch den Skandal beeinflusst. Durch die häufigen Regierungswechsel und wechselnden Mehrheiten im Parlament haben kleinere Parteien in Italien deshalb einen relativ großen Einfluss. In Italien sind Wahlbündnisse aus mehreren (kleinen) Parteien üblich.

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Politik in Italien: Die Wahl

Das neue Wahlgesetz “Rosatellum 2.0” wurde 2017 beschlossen. Es gilt für beide Kammern des Parlaments.

  • In ihrem Wahlkreisen können die Wahlberechtigten entweder einen Direktkandidaten bzw. eine Direktkandidatin wählen oder eine Partei (die die Sitze dann über Liste vergibt). Jede wahlberechtigte Person hat nur eine Stimme.
  • 36 Prozent der Sitze werden nach dem Mehrheitswahlrecht an Direkt-Kandidat*innen vergeben
  • 64 Prozent der Sitze werden nach dem Verhältniswahl über Wahllisten der Parteien besetzt.
  • Für Parteien gibt es eine Drei-Prozent-Hürde für einen Einzug ins Parlament.
  • Kleinere Parteien können sich vor der Wahl zu Wahlbündnissen zusammenschließen. Dann reichen 1 Prozent der Stimmen für einen Einzug, vorausgesetzt das Wahlbündnis erreicht zusammen mindestens 10 Prozent der Stimmen.

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geschrieben von Annie Kayser, zuerst veröffentlicht am 16. Juli 2022

Titelbild / Montage – Foto: Cristoto_lux/Getty Images via canva.com

Quellen: eigene Recherche;  Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. (Bonn, 2020/Bundeszentrale für politische Bildung).

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