Italien steht ein Rechtsruck bevor: In aktuellen Umfragen zur Wahl liegt Giorgia Meloni (45) mit ihren rechtsextremen “Fratelli d’Italia” vorne. Wer tritt bei der Wahl am 25. September an und wie läuft alles ab, eine Übersicht.
Mehr als 40 Prozent der wahlberechtigten Italienerinnen und Italiener sollen aktuell noch unentschlossen sein.
- Die Favoritin von Rechts
- Der Favorit von Mitte-Links
- Wer spielt aktuell sonst noch eine Rolle?
- Italiens neues Wahlsystem & Regierungsbildung
Frau von Rechtsaußen: Giorgia Meloni (45)
Fotos: Twitter/@GiorgiaMeloni
Die rechtsextreme Partei “Fratelli d’Italia” mit Giorgia Meloni (45) führt die aktuellen Umfragen zur Wahl in Italien an – außerhalb des Landes ist die Politikerin eine Unbekannte.
Bei den letzten Italien-Wahlen vor vier Jahren holt ihre Partei nur gut 4 Prozent der Stimmen – jetzt könnten es mehr als 25 Prozent werden! Laut aktuellen Umfragen käme die Postfaschistin auf die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments in Italien, dabei unterstützt von den Parteien “Forza Italia” und “Lega”.
Deshalb hat Mario Draghi hingeschmissen…
Silvio Berlusconi von der “Forza Italia” kennt Meloni gut. 2008 wird Meloni mit 31 Jahren die jüngste Ministerin Italiens – unter Berlusconi. Nach Streit mit Berlusconi über die nationalistische Richtung ihrer Politik gründet sie 2012 die “Fratelli d’Italia”.
Vom Zögling zur Chefin
Bereits als Teenagerin schließt sich Meloni der Jugend der neofaschistischen Bewegung Italiens an, gegründet von Anhängern des toten Diktators Benito Mussolini. In ihrem Buch “Ich bin Giorgia” (2021) sagt sie, dass sie keine Faschistin sei, sich aber mit Mussolinis Erben identifiziere.
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Im Gegensatz zu “Forza Italia” und “Lega” ist sie nach eigenen Angaben gegenüber USA und Nato freundlich eingestellt. Außerdem möchte Meloni, dass das Oberhaupt Italiens künftig direkt vom Volk gewählt wird. Um die Verfassung zu ändern, braucht man in Italien eine Mehrheit von Zweidritteln im Parlament.
Meloni fordert eine See-Blockade gegen Libyen und hat außerdem wiederholt vor muslimischen Migranten gewarnt. Außerdem strebt sie eine “andere Haltung” gegenüber der EU an: Ihr Bündnis wolle Italiens EU-Konjunkturprogramm neu verhandeln. Aber: “Das bedeutet nicht, dass wir Europa zerstören wollen, dass wir Europa verlassen wollen, dass wir verrückte Dinge tun wollen…”
So funktioniert das politische System der Macht in Italien
Wiederholt hat die Postfaschistin LGBTQ-Rechte kritisiert. Meloni spricht sich für Beziehungen im Sinne der katholischen Kirche aus. Sie selbst ist allerdings nicht verheiratet und hat eine uneheliche Tochter mit ihrem Partner (ein Journalist).
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Mann von Mitte-Links: Enrico Letta (56)
Fotos: Twitter/@EnricoLetta
Der härteste Konkurrent von Giorgia Meloni kommt aus dem Mitte-Links-Bündnis: Enrico Letta (56) von der “Partito Democratico”. Er liegt in den aktuellen Umfragen nur knapp hinter Meloni, hat aber Schwierigkeiten Parteien für ein ausreichend starkes Gegenbündnis zu finden.
Letta hat bereits zehn Monate Regierungserfahrung als Italiens Ministerpräsident, in Koalition mit “Forza Italia” – bis er dann parteiintern von Matteo Renzi (47) im Februar 2014 gestürzt wird.
Unterstützt wird Letta bei dieser Italien-Wahl von der neuen Partei “Impegno Civico” aus der politischen Mitte, die von Italiens bisherigem Außenminister Luigi di Maio (40) gegründet worden ist. Der gehörte bis zum Sturz der Draghi-Regierung noch zum Führungszirkel der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung.
Foto: Twitter/@luigidimaio
Die italienische Linke und die Grünen Europa lehnen ein Bündnis mit Letta ab. Auch die pro-europäische Partei “Azione” aus Italiens politischer Mitte ist dem Mitte-Links Bündnis nach anfänglicher Zustimmung wieder ausgetreten.
Das Hauptziel des Mitte-Links-Vorsitzenden ist es, die Machtübernahme der harten Rechten in Italien zu verhindern. Das Bündnis will in erneuerbare Energien investieren und die Bildung reformieren. Die PD will den Kindern von Einwanderern die Staatsbürgerschaft erleichtern, die Diskriminierung von Homosexuellen bekämpfen und die Homo-Ehe legalisieren.
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Wer spielt sonst noch eine Rolle?
Die konservative Rechte: Forza Italia & Lega
Die Partei von Giorgia Meloni hat keinerlei Erfahrung im Regieren und benötigt daher die volle Unterstützung von Ex-Premier Silvio Berlusconi und Matteo Salvini, die beide der Regierung Draghi angehört haben.
Foto: Twitter/@SilvioUfficiale
Berlusconi (85, war viermal Ministerpräsident) kandidiert bei dieser Italien-Wahl zum ersten Mal für den Senat. 2013 ist er wegen Steuerbetrugs verurteilt und für sechs Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen worden. Seine Mitte-Rechts-Partei “Forza Italia” gilt als die schwächste der drei rechten Parteien.
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Die “Lega “von Matteo Salvini ist ein quasi Natur gegebener Partner für Meloni. Als Innenminister hat Salvini Migranten-Lager geschlossen und NGO-Boote mit aus dem Mittelmeer geretteten Flüchtlingen an der Einfahrt in den Hafen gehindert. Tatsächlich ist die aktuelle Zahl der illegalen Einwanderinnen und Einwanderer in Italien aber höher als bei jedem Innenminister vorher.
Foto: Twitter/@matteosalvinimi
Beide Politiker betonen auffällig oft ihre Loyalität zu Meloni. Dabei ist Meloni die unerfahrenste Politikerin im Trio, dazu noch ein ehemaliger Zögling von Berlusconi. Meloni hat Salvini außerdem vermutlich den Wahlgewinn gekostet: Ohne die “Fratelli” hätte die “Lega” wahrscheinlich die meisten Stimmen. Im Gegensatz zu Meloni pflegen Salvini und Berlusconi außerdem ein enges Verhältnis zu Russland und Putin.
Die Versprechen von Rechts
- Das verspricht das rechte Wahlbündnis: eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie und lebenswichtige Güter, eine Pauschalsteuer für Selbstständige, Wieder-Einführung von Atomkraftwerken, höhere Zuschüsse für Familien zwecks Geburtensteigerung und die Verhinderung illegaler Einwanderung.
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Die Fünf-Sterne-Bewegung
Foto: Twitter/@GiuseppeConteIT
Bei der Italien-Wahl 2018 holt die Anti-Establishment-Partei “Il Movimento 5 Stelle” von Giuseppe Conte fast ein Drittel der Stimmen. Davon sind heute noch um die 11, 12 Prozent übrig. Die Partei ist aktuell in keinem Wahlbündnis.
Nach dem Wahlsieg 2018 teilen sich die “5 Sterne” die Macht zunächst mit der rechtsextremen “Lega”, wechseln dann zur Demokratischen Partei, bevor sie Teil der breiteren Draghi-Regierung werden. Dutzende Mitglieder verlassen die Partei, als sich Conte gegen die Lieferung von Waffen in die Ukraine ausspricht.
Von Links nach Rechts
Unter Contes Führung ist die Politik der populistischen Partei nach links geschwenkt. Er will einen Mindestlohn von 9 Euro einführen, die regionale Gewerbesteuer abschaffen und den Kindern von Einwanderer-Familien den Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtern.
Die Ideen von “5 Sterne” unterscheiden sich nicht wirklich vom Mitte-Links-Bündnis von Letta. Statt sich gegen Rechts zu verbünden, warnen die anderen Parteien der Mitte aber vor einer Versöhnung zwischen Conte und Letta. Conte wird von vielen für das Ende der relativ erfolgreichen Draghi-Regierung verantwortlich gemacht.
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Das Zentrum
Matteo Renzi (47, Ministerpräsident von 2014 bis 2016) von “Italia Viva” und Carlo Calenda (49) von “Azione” treten mit einem dritten Bündnis an: Sie wollen die politische Mitte Italiens vertreten.
Foto: Twitter/@matteorenzi
Pro-europäische Politik
Carlo Calenda und Matteo Renzi wollen die pro-europäische Politik der vorherigen Regierung fortsetzen und sogar Mario Draghi zu überreden, als Chef der Regierung zurückzukehren. Draghi selbst klingt zu dem Thema allerdings wenig begeistert.
Foto: Twitter/@CarloCalenda
Wie das Rechts-Bündnis möchte das Renzi-Candela-Bündnis wieder Atomkraft in Italien erlauben. Wie das Mitte-Links-Bündnis will es Flüssigerdgas-Terminals in Italien bauen lassen.
Zu dem Mitte-Wahlbündnis gehören zwei ehemalige Ministerinnen der “Forza Italia”, Mariastella Gelmini und Mara Carfagna. Die beiden Politikerinnen haben die Berlusconi-Partei wegen deren Rolle beim Sturz der Draghi-Regierung verlassen.
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Italiens neues Wahlsystem
Um zu gewinnen, braucht ein Wahlbündnis eine Mehrheit in beiden Kammern des italienischen Parlaments – der Abgeordnetenkammer und dem Senat. Die Italiener und Italienerinnen stimmen am 25. September für beide Kammern ab.
Foto: Martinns/Getty Images Signature via canva.com
Ab 18 Jahren darf man in Italien wählen gehen. Dabei gibt man eine Stimme für die Abgeordnetenkammer und eine Stimme für den Senat ab. Man kann entweder direkt einen Kandidaten oder eine Kandidat aus seinem Wahlkreis wählen oder man stimmt für Wahlbündnis bzw. einer Partei ab.
Die Macht! So funktioniert das politische System in Italien
Durch die Wahlreform fallen ein Drittel der Sitze im Parlament weg: In der Abgeordnetenkammer gibt es jetzt nur noch 400 statt 630 Abgeordnete und im Senat nur noch 200 statt 315 Senatorinnen und Senatoren.
Gemischtes Wahlsystem
Italien hat ein gemischtes Wahlsystem: Ein Drittel Abgeordneten wird in Einzelwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht als Direkt-Kandidat bzw. Direkt-Kandidatin gewählt. Zwei Drittel der Abgeordneten werden nach dem Verhältniswahlrecht auf der Grundlage von Parteilisten gewählt.
Die Parteien brauchen mindestens 3 Prozent der Stimmen, um ins Parlament einzuziehen. Wenn Parteien Mitglied eines Wahlbündnisses mit anderen Parteien sind, das insgesamt 10 Prozent der Stimmen erreicht, dann reicht auch 1 Prozent zum Einzug.
Staatspräsident Sergio Mattarella ernennt Italiens nächste Ministerpräsidentin oder nächsten Ministerpräsidenten nach den Mehrheitsverhältnissen im Parlament.
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geschrieben von Annie Kayser, zuerst online 14. September 2022
Quellen: italienische, englische und deutsche Tageszeitungen, Soziale Medien der Parteien bzw. Politiker