Pizza? Von wegen! So deftig isst das Aostatal

Lillianes im Aostatal: die Kirche von San Rocco Foto: stock.adobe.com/Alessandro

Von unserer Redaktion

Viel Fleisch, viel Käse, Kohl und Rüben – Pizza und Pasta gibt’s hier eigentlich nicht. Diese Bergregion im Norden ist ein Paradies für Deftiges. Unsere Serie: So lecker isst Italien. Heute: das Aostatal.

Die eine italienische Küche gibt es nicht. Italien hat 20 Regionen – und jede Region hat ihre eigenen Spezialitäten (mehr dazu). Wir probieren sie alle. Schön mundgerecht und in kleinen Happen. Wir starten in der Region, die gar nichts mit Pizza und Pasta zu tun hat. In den Bergen geht es deftig zu. Heute:

Willkommen im Aostatal

Das Dorf Fontainmore im Aostatal gehört zu den schönsten des Landes
Das Dorf Fontainmore gehört zu den schönsten des Landes
Photo by Gildo Cancelli on Pexels.com

Das Aostatal liegt in den Bergen im Nordwesten Italiens, an der Grenze zu Frankreich im Westen und der französischen Schweiz im Norden. Im Süden und Osten grenzt das Tal ans Piemont. Die Amtssprachen sind Italienisch und Französisch. Bis auf die Hauptstadt der Region Aosta/Aoste haben alle Gemeinden französische Namen.

Das Gebiet ist die kleinste Region Italiens („Regionen” sind quasi die Bundesländern, mehr dazu hier). Nur etwa 125.000 Menschen leben auf gut 3.200 km². Im Westen wird es vom Montblanc begrenzt, im Norden vom Monte Rosa.

Aostatal auf der Landkarte: Hier liegt die Region in Italien.
Hier liegt das Aostatal in Italien

Die höchste Dichte an Gourmettempeln

Eine kleine Ecke an der Grenze zu Frankreich, oben in den Bergen im Nordwesten – mit kulinarischen Auswirkungen aufs ganze Land. Allein 16 Sterne-Restaurant sind in dem kleinen Gebiet ansässig. Keine andere Region hat eine vergleichbare Sterne-Lokal-Dichte. Auf 7.800 Einheimische kommt ein Gourmet-Tempel. Zum Vergleich: In der Lombardei kommt ein Sterne-Lokal auf 29.500 Menschen.

Italienische Alltagsrituale, die das Leben besser machen

Berg-Welten: So isst das Aostatal

Die traditionelle Küche des Aostatals ist kräftig und deftig. Eine bäuerliche Küche, geprägt vom Leben in den Alpen.

Die Berge bestimmten Jahrhunderte lang, was auf den Tisch kam – und das waren lokal angebaute Produkte: Typisch sind bis heute Mahlzeiten aus Getreide, (Schwarz-)Brot, Kohl, Wirsing, Käse, Speck und Esskastanien. Aufgrund der hohen Lage spielten Tomaten und Oliven mangels Anbaumöglichkeiten keine Rolle.

Die Region ist bekannt für ihre Käsesorten. Weit verbreitet ist hier Fondue aus Fontina, der Star unter den lokalen Käsen.

Von Trattoria bis Pizzeria: Italiens Restauranttypen

Exportschlager aus dem Aostatal

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Was für eine wunderschöne Natur…
Foto: Arsty/Getty Images via canva.com

Die Bezeichnung DOP bedeutet „Denominazione d’Origine Protetta“, das italienische Siegel für Produkte mit geschützter Herkunftsbezeichnung.

Käse & Butter

  • Beuro de brossa: eine besonders cremige Butter mit Bergwiesen-Aroma. Die Butter wird mit Brossa, einem Fettstoff aus der Käseverarbeitung hergestellt.
  • Fontina DOP: ein halbgegarter Kuhmilch-Käse, der seit dem 13. Jahrhundert hergestellt wird. Der Käse wird drei Monate lang in einem Felsen gesalzen und gebürstet, bei einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 90 Prozent.

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Der Fontina reift in einem Felsenraum
Foto: Orietta Gaspari/Getty Images Signature via canva.com
  • Fromadzo DOP: ein halbfester Schnittkäse aus entrahmter Kuhmilch, der seit der Antike bekannt ist, im 15. Jahrhundert zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurde. Die Milch stammt aus zwei Melkungen, manchmal kommen Ziegenmilch oder Kräutern hinzu.
  • Saras oder Seirass del fen: ein würziger Ricotta, der seit dem 13. Jahrhundert hergestellt wird – früher eine Delikatesse für die Adeligen. Das Besondere: die lange Reifung im Heu. Früher wurde der Ricotta aus Schutz im Heu ins Tal transportiert, was ihm den besonderen Geschmack verlieh. Der Ricotta schmeckt angenehm säuerlich-würzig.

Die Dörfer haben große Wirkung beim Wandern

Fleisch & Wurst 

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Sehr großzügig: ein Vorspeisen-Teller à la Aostatal
Screenshot: Instagram/@nacko_milano

  • Boudin: eine Blutwurst aus Kartoffeln, Speckwürfeln, roten Rüben, Rind- und Schweineblut, Kräutern und Gewürzen. Lange Zeit ein Grundnahrungsmittel in den Bergen. Wird warm und kalt gegessen.
  • Jambon de Bosses DOP: ein Rohschinken mit den Aromen von Bergkräutern, ausschließlich in der Gemeinde Saint-Rhémy-en-Bosses auf 1.600 Meter hergestellt. Er muss mindestens ein Jahr lang reifen.
  • Motzetta: luftgetrocknete Wurst aus Rind, Gams, Hirsch oder Wildschwein. 20 Tage lang wird sie in Kräuter-Salzlage eingelegt und dann ein bis drei Monate getrocknet. Eine altbewährte Methode, um das Fleisch lange haltbar zu machen. Hauchdünn geschnitten wird es zu einem zarten Happen. Auch Mocetta oder Motsetta geschrieben.

Am letzten August-Wochenende findet in der Gemeinde Arnad immer das Schweinespeck-Fest statt

  • Lardo d’Arnad DOP: gereifter Schweinespeck, der ausschließlich in der Gemeinde Arnad im unteren Aostatal hergestellt wird. Die Speckstücke werden in einer Salzlake gepökelt, die mit Wacholder, Lorbeer, Muskatnuss, Salbei und Rosmarin aromatisiert ist – und das seit mehr als zwei Jahrhunderten in Holzkübeln aus Kastanie, Eiche oder Lärche.
Hauchdünne Speckröllchen, die im Mund schmelzen
Screenshot: Instagram/@cuori1strada

Prösterchen

  • Genepy: ein Likör, der aus dem Alpenkraut Genepy (lat. Artemisia) oder Wehrmut gewonnen wir, mit gelbgrüner Farbe und einem intensiven Pflanzenduft. Der Geschmack ist wärmend und leicht bitter.
  • Grappa:  ein Tresterbrand (mindestens 37,5 Prozent). Der wird aus den vergorenen alkoholhaltigen Pressrückständen der Weinherstellung, dem Trester, destilliert.

Aus der Natur

  • im Angebot: Kastanien-Honig, Löwenzahn-Honig, Linden-Honig, Bergblüten-Honig oder Honigtau-Honig
  • Äpfel (Renette oder Golden Delicious), Birnen, Nüsse, Pilze und Kastanien

Backwaren

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Die Kekse gibt es auch in diversen Nachspeisen-Varianten
Foto: Quanthem/Getty Images via canva.com
  • Schindeln (Tegole): Kekse aus Haselnüssen, Zucker, Eiklar, Mehl, manchmal mit Mandeln oder Vanille
  • Miasse: herzhafte, rechteckige Waffeln mit Käse (Salignön) gefüllt

Mahlzeit! Gerichte im Aostatal

Es darf gehaltvoll geschlemmt werden – mit Zurückhaltung und Kalorien-Zählen kommt man in den Bergen des Aostatals nicht weit.

Dieser Eintopf hat Bumms!

Die „Seupa à la Vapelenentse“, die „Valpellinoise-Suppe“ gab der armen Bergbevölkerung die Energie, die sie für ihre schwere Arbeit brauchten. Der Eintopf besteht aus Fontina-Käse, getrocknetem Brot, Wirsing, Fleischbrühe, Butter und Zimt.

aostatal
Oha! Das perfekte Mahl für richtig kalte Wintertage
Screenshot: Instagram/@3cuori1strada

Jedes Jahr am letzten Juli-Wochenende feiert die Gemeinde Valpellile ihre Suppe mit einem Fest, der Sagra della Seupa à la Vapelenentse.

So sieht das Suppenfest im Norden Italiens aus…

„Lardo di Arnad“-Speck mit Kastanien und Honig, dazu Polenta

Crespelle Erbette Boudin

  • Pfannkuchen mit Kräutern, Blutwurst, Blätterteig, Ziegenkäse, Birne, Nüssen und Kastanien-Honig

Tartiflette

  • Auflauf mit Kartoffeln, Reblochon-Käse, Speckwürfel und Zwiebeln

Außerdem noch auf dem Speiseplan im Aostatal

Frittata di Ortiche (Brennessel-Omelette), Cotoletta alla Valdostana (mit Fontina-Käse paniertes Kalbskotelett, dazu meist Polenta), Crespelle alla Valdostana (herzhafte Pfannekuchen mit Fontina-Käse und Schinken), Fricandeau (Kalbsfleisch-Eintopf mit Zwiebeln, Rosmarin, Kräutern und Weißwein dazu Polenta), Carbonada (12 Tage lang, klassisch in Weißwein, geschmortes Rindfleisch mit Speck, Nelken und Muskat)

Die ungewöhnlichste Spezialität: Kuheuter

Teuteun valdostane: gepökelter Kuheuter – eine aboslute Spezialität des Aostatals und in der Liste der Prodotto Agroalimentare Tradizionale (P.A.T.), der traditionellen italienischen Lebensmittel, des italienischen Landwirtschaftsministeriums.

Wer sich jetzt schüttelt: Schon bei den Römern galt Kuheuter (blanchiert oder gegrillt) als Delikatesse. Im Aostatal hat Rinderzucht eine lange Tradition, verwertet wird in den Bergen traditionsgemäß fast alles. In Gignod im Aostatal wird jedes Jahr im August die Fëta di Teteun, ein Fest zu Ehren des Euters gefeiert.

kuheuter

Fertiges Teteun hat die Form einer gepressten, cremefarbenen Laibes. Der Geschmack ist salzig würzig. Fans loben die ungewöhnliche Textur. Teteun wird oft als Vorspeise gegessen, mit Knoblauch-Saucen, verschiedenen Marmeladen oder mit Rosinen oder Birnen in Sirup.

Die Weine aus den Bergen

Die Sommer im Aostatal sind in der Regel kurz, die Hänge steil – ein rauhes Bergklima. Die allermeisten Weine aus der Region sind qualitativ gut, aber keine Spitzenweine. Trotzdem hat die Region weinmäßig viel zu bieten – bei Weiß- und bei Rotweinen.

Um die 4.000 Winzerinnen und Winzer bauen auf 450 Hektar Weintrauben an. Es gibt mehr als 20 lokale Rebsorten, die man außerhalb des Aostatals kaum kennt. Für alle Weine gibt es nur eine Herkunftsbezeichnung: die DOC Valle d’Aosta.

Weine des Aostatals: Blanc de Morgex et de La Salle DOC, Enfer d’Arvier DOC, Torrette DOC, Nus e Nus Malvoisie DOC, Chambave e Chambave Moscato (o Chambave Muscat) DOC, Arnad-Montjovet DOC.

Probieren und Einkaufen vor Ort

…am besten direkt vor Ort in der Käserei oder auf dem Weingut. Auch kleine Läden haben in der Regel eine gute Auswahl an Spezialitäten. Äußerst appetitanregend sind auch die lokalen Märkte, wo man die frischen Erzeugnisse direkt von den Herstellerinnen und Produzenten kaufen kann.

Restaurantmäßig kann man im Aostatal von supergünstig bis richtig, richtig teuer im Sternerestaurant essen. Unbedingt mal einen Agriturismo (ein Bauernhof mit Restaurant und/oder Unterkunft) probieren. Viele Produkte kann man dort auch kaufen.


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