Abends unterwegs in Bari
Italien ist ein offenes Land. Herzlich, laut, schön. Und dennoch voller Regeln, die nie ausgesprochen werden. Nicht aus Geheimniskrämerei – sondern, weil man davon ausgeht, dass man sie kennt. Tut man aber oft nicht. Vor allem, wenn man zu Besuch ist und denkt, ein Lächeln reicht. Tut es nicht.
Wer in Italien nicht auffallen will – oder zumindest nicht unangenehm – sollte ein paar Grundsätze beherrschen. Hier kommen zehn davon. Und nein, der Cappuccino nach 11 Uhr ist nicht dabei. Der sollte mittlerweile bekannt sein.
1. Küsschen gibt’s auch ohne Beziehung.
Zwei Wangenküsse – rechts, links – gehören zum Alltag. Nicht aus inniger Verbundenheit, sondern weil es sich so gehört. Wer sich dabei zu steif anstellt, wirkt nicht höflich, sondern seltsam. Also: kurz, locker, ohne Körperkontakt. Kein Ritual, eher ein Reflex.
Rom oder Venedig: Dein Liebling?
2. Ein Gruß ist keine Nettigkeit, sondern Standard.
Man betritt ein Geschäft? Man sagt „Buongiorno“. Selbst im Copyshop. Wer wortlos reinkommt und losfragt, macht sich unbeliebt – nicht dramatisch, aber unnötig. Freundlichkeit ist hier kein Zusatz, sie ist Infrastruktur.
3. Keine Chrysanthemen. Nie.
Blumen sind okay. Chrysanthemen nicht. Sie gehören auf Friedhöfe – das weiß man, auch wenn man nie drüber redet. Wer sie zu einer Einladung mitbringt, macht keinen Eindruck, sondern eine Andeutung. Ungewollt, aber deutlich.
4. Titel sagt man – ob’s einem passt oder nicht.
„Dottore“, „Professore“, „Ingegnere“ – ja, das klingt übertrieben. Ist es aber nicht. Es zeigt Respekt, und den nimmt man hier gern mit. Auch, wenn der Ingegnere seit zwanzig Jahren in Rente ist und längst lieber kocht als konstruiert.
Schau mal, der Gardasee!
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5. Ellbogen runter, Hände rauf.
Bei Tisch gelten klare Regeln. Die Hände bleiben sichtbar, die Ellbogen verschwinden. Nicht weil es eine Gefahr darstellt, sondern weil es sich so eingebürgert hat. Alles andere wirkt fahrig oder unaufmerksam. Beides ist ungern gesehen.
6. Kleidung ist Kommunikation.
Man muss nicht schön sein. Aber gepflegt. Italien ist kein Land des Protzens, sondern der Präsenz. Wer in Badelatschen durch eine Altstadt schlurft, hat vielleicht keine Zeit verloren – aber Haltung. Und die zählt.
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7. Parmesan ist kein Grundrecht.
Wenn der Kellner fragt, ob man Käse möchte, darf man nicken. Wenn er nicht fragt, fragt man sich besser: Warum nicht? Denn nicht alles verträgt Parmesan. Muscheln zum Beispiel nicht. Und Stilgefühl sowieso nie.
8. „Darf ich mich setzen?“ – das ist keine Floskel.
Ein freier Platz ist in Italien nicht automatisch frei. Man fragt – auch wenn weit und breit niemand zu sehen ist. Nicht weil man muss, sondern weil man weiß: So macht man das hier.
9. Nähe ist okay – wenn sie wohldosiert ist.
Italien ist körperlich. Man berührt sich, gestikuliert, ist präsent. Aber wer zu schnell zu viel Nähe herstellt, wirkt nicht herzlich, sondern aufdringlich. Der Rhythmus zählt – und den gibt das Gegenüber vor.
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10. Fazit? Nicht kompliziert – nur konsequent.
Italien ist kein Mysterium. Es ist ein System aus kleinen, oft ungeschriebenen Vereinbarungen. Wer sie kennt, kommt gut durch. Wer sie ignoriert, bleibt trotzdem willkommen – aber bekommt vielleicht kein zweites Küsschen.
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