„Cicloturismo”: Warum Italien auf zwei Rädern boomt

Was für ein Panorama! Mit dem Moutainbike rund um den Gardasee Foto: stock.adobe.com/Val Thoermer

Von unserer Redaktion

Bisher dachte man beim Thema Italien und Zweirad automatisch an knatternde Vespas. Längst erobert eine andere Art der Fortbewegung das Land: Cicloturismo, der Fahrradtourismus, erlebt gerade einen Hype in Bella Italia.

Cicloturismo steht für umweltfreundliches Reisen, das kleine Dörfer und abgelegene Landschaften wiederbelebt und gleichzeitig eine neue Art des Urlaubens ermöglicht. Immer mehr Menschen entdecken die Schönheit des Landes vom Fahrradsattel aus, und mit wachsender Infrastruktur wird das Radfahren in Italien immer einfacher und attraktiver.

Von der Nische zum Milliardenmarkt

Noch vor zehn Jahren war Radfahren in Italien vor allem eine Leidenschaft der ehrgeizigen Hobby-Sportler und Rennrad-Enthusiasten. Heute ist der Cicloturismo einer der am schnellsten wachsenden Reise-Segmente des Landes. Laut einer aktuellen Studie der Umweltorganisation Legambiente und des Instituts ISNART wurden allein im Jahr 2023 über 56,8 Millionen Radtourismus-Besuche gezählt – das entspricht 6,7 % aller touristischen Reisen in Italien. Deutschen Radurlaubern nennen Italien beispielsweise schon als zweitliebstes Reiseziel nach Österreich.

Die Entwicklung hat wirtschaftliche Folgen: Über 5,5 Milliarden Euro Umsatz wurden im Jahr 2023 durch den Radtourismus generiert – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Noch 2019 lag der Wert bei etwa der Hälfte. Vor allem kleine, nachhaltige Unterkünfte, Radverleihe und lokale Produzenten profitieren von diesem Trend: Wer mit dem Rad unterwegs ist, reist oft bewusster, hält häufiger an und gibt mehr für regionale Spezialitäten und Erlebnisse aus. Die steigende Nachfrage hat zur Entwicklung zahlreicher Veranstaltungen und Messen rund um den Fahrradtourismus geführt. Ein Beispiel ist die „Fiera del Cicloturismo“, die größte italienische Messe, die sich ausschließlich dem Radreisen widmet und vom 4. bis 6. April 2025 in Bologna stattfindet.

Warum ist Cicloturismo so beliebt?                       

Traumhafte Toskana: Unterwegs auf dem Rad in der Umgebung von Arezzo
Traumhafte Toskana: Unterwegs auf dem Rad in der Umgebung von Arezzo Foto: stock.adobe.com/Uwe

Radreisen sind eine der sanftesten Formen des Tourismus. Sie hinterlassen keine Umweltbelastung durch Verkehr, benötigen kaum Infrastruktur und ermöglichen es Reisenden, Italien auf eine ursprüngliche Weise zu entdecken. Gleichzeitig sind sie oft auch kostengünstiger als herkömmliche Urlaube, was sie für viele attraktiv macht. Es ist außerdem eine intensive Art des Reisens, bei der man sich Zeit nimmt, das Land mit allen Sinnen zu erleben.

Eine Radtour führt nicht nur durch beeindruckende Landschaften, sondern auch mitten ins Leben kleiner Dörfer und Städte. Man begegnet Menschen, kostet lokale Spezialitäten, und erlebt eine Region buchstäblich mit allen Sinnen. Dazu kommt die persönliche Herausforderung der runtergestrampelten Kilometer und das Glücksgefühl am Ende des Tages: Wie könnte man eine üppige italienische Mahlzeit am Abend mit reinerem Gewissen genießen?

Woher kommt der Fahrrad-Boom?

Die Gründe für den Fahrradboom in Italien sind vielfältig. Einerseits haben sich in den letzten Jahren die Infrastruktur und das Angebot erheblich verbessert. Zahlreiche neue Radwege wurden gebaut oder ausgebaut, darunter der atemberaubende Ciclovia del Sole zwischen Verona und Bologna oder die Ciclovia Adriatica, die sich entlang der italienischen Ostküste schlängelt. Zudem gibt es immer mehr fahrradfreundliche Hotels und Bed & Breakfasts, die sich speziell auf Radreisende eingestellt haben. Dazu kommt die E-Bike-Revolution, die Urlaube auf dem Fahrrad auch für Hobbysportler entspannt möglich macht.

Immer mehr Menschen wollen ihren Urlaub aktiv und umweltfreundlich gestalten, Naturerlebnisse mit sportlicher Betätigung verbinden wollen. Aufgrund der in der Regel extremen Hitze im Sommer sind vor allem das Frühjahr und der Herbst für Radtouren durch Italien geeignet. Die FIAB (Federazione Italiana Ambiente e Bicicletta) setzt sich 30 J ahren dafür ein, dass Radreisen zu einem festen Bestandteil des sanften Tourismus werden: umweltfreundlich, entschleunigt und ideal, um die Schönheit der italienischen Landschaften, historischen Dörfer und kulturellen Schätze hautnah zu erleben.

Ein weiteres Ziel der FIAB ist die Wiederbelebung ländlicher Gebiete durch Radinfrastruktur. Die Planung neuer Radwege trägt dazu bei, ungenutzte Routen und Regionen für Touristen und Einheimische zugänglich zu machen, indem alte Straßen, Bahntrassen oder Naturwege zu attraktiven Radstrecken umgestaltet werden. Damit wird Cicloturismo zu einem nachhaltigen Entwicklungsinstrument für ländliche Gebiete.

Noch mehr zum Thema Cicloturismo

  • Um Radreisen in Italien noch attraktiver zu machen, wurde die Website bicitalia.org ins Leben gerufen. Sie präsentiert ein Netzwerk aus Radwegen, die sich durch ganz Italien ziehen und mittlerweile ein offizieller Bestandteil der nationalen Radverkehrsplanung sind.
  • Das EuroVelo-Netzwerk: Seit 2011 koordiniert FIAB das EuroVelo-Projekt in Italien, das eine hochwertige transeuropäische Radwegverbindung von Nord nach Süd und von West nach Ost sicherstellen soll. Derzeit sind 17 EuroVelo-Routen nutzbar, mit gut ausgeschilderten, sicheren und komfortablen Strecken.
  • Albergabici.it ist eine Plattform, die fahrradfreundliche Hotels und Pensionen – mit z.B. sicheren Abstellmöglichkeiten für Zweiräder und Reparaturmöglichkeiten – in ganz Italien listet. Viele dieser Unterkünfte liegen direkt an beliebten Radwegen und bieten Extras wie geführte Touren oder den Transport von Gepäck.
  • Neben dem FIAB gibt es zahlreiche professionelle Reiseveranstalter, die auf Fahrradtourismus spezialisiert sind – von individuellen Hotelbuchungen über geführte Touren bis hin zu Komplettpaketen mit Gepäcktransport, Leihrädern und technischer Betreuung.

Mehr Geschichten aus Italien

Kommentare

hi_IN

Discover more from la bella vita club

Subscribe now to keep reading and get access to the full archive.

Continue reading